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Keine Schnäppchen in den den Städten mehr

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In begehrten Lagen sind Immobilien teuer und selten zu haben. Warum also keine Wohnung oder ein Haus per Zwangsversteigerung erwerben? Leider ist das nicht ganz so einfach.

Der Saal 1.115 des Düsseldorfer Amtsgerichts ist bei vergleichbaren Anlässen meist gut gefüllt, oftmals reichen die Stühle nicht für alle Besucher aus. Aber diesmal haben sich nur etwa 20 Personen zur Zwangsversteigerung eingefunden. Und längst nicht alle wollen mitbieten. Zwei Frauen sind sogar mit ihren kleinen Kindern gekommen, nur um die Auktion einer Wohnung einmal mitzuerleben.

Vielleicht war die großzügige Zweizimmerwohnung mit 121 Quadratmeter vielen potenziellen Bietern doch zu teuer. Sie liegt im gefragten Stadtteil Niederkassel in einer Sackgasse, die direkt zum Rheinufer führt – eine begehrte Lage in bester Wohngegend. Der Gutachter des Gerichts hat den Verkehrswert der normal ausgestatteten Immobilie auf 580.000 Euro geschätzt. Eine Hälfte der zum Haus gehörenden Doppelstockgarage kann im gleichen Verfahren separat ersteigert werden.

Zwangsversteigerungen von Immobilien üben auf Wohnungsuchende und Anleger eine große Faszination aus. Ihre Hoffnung: Ein Immobilienkauf zu einem Preis, der deutlich unter den üblichen Marktpreisen liegt. Dann wäre das Eigenheim erschwinglich und gut finanzierbar – oder eine Vermietung lukrativ. Dementsprechend besuchen im Wesentlichen drei Typen von Kaufinteressenten die Zwangsversteigerungen bei Gericht: Eigennutzer auf Schnäppchenjagd, Vermieter auf der Suche nach Renditeobjekten und Wiederverkäufer, die die Immobilie zuerst wertsteigernd sanieren oder schlicht auf steigende Preise warten, bevor sie mit möglichst großem Gewinn weiterverkaufen.

Die großen Fragen lauten also: „Lohnt sich ein Immobilienkauf über eine Zwangsversteigerung? Und wie läuft so ein Zwangsversteigerungsverfahren ab? Worauf müssen Käufer achten, damit der Immobilienkauf nicht in einer finanziellen Katastrophe endet? Zwangsversteigerungen von Immobilien sind heute sehr transparente Veranstaltungen. Termine und Informationen zu den Objekten gibt es für das gesamte Bundesgebiet unter www.zvg-portal.de. Bis auf Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Thüringen vermerken hier alle Bundesländer ihre Zwangsversteigerungstermine und stellen mal mehr mal weniger Informationen zum Objekt zur Verfügung.

Das Verfahren in Düsseldorf leitet Thomas Keilhäuber. Er ist Rechtspfleger und damit ein Beamter des gehobenen Dienstes, der per Gesetz ermächtigt ist, beispielsweise Familien- und Nachlassverfahren oder eben Zwangsvollstreckungen sowie Mahn- und Insolvenzverfahren zu leiten. Im holzgetäfelten Gerichtssaal verliest Keilhäuber die Forderungen gegen den bisherigen Immobilieneigentümer sowie die wesentlichen Grundbucheinträge zum Objekt. An die Besucher gewandt, fasst er nochmal zusammen: „Sie bieten hier auf ein Objekt, das seit zirka einem Jahr leer steht. Die Forderungen der Wohneigentümergemeinschaft summieren sich auf etwa 20.000 Euro, die aus dem Erlös beglichen werden.“ Keilhäuber verdeutlicht, dass die zuvor verlesenen Grundbuchlasten mit erfolgter Versteigerung erlöschen. „Sie sind also bei Zuschlag nicht mehr zusätzlich zu bezahlen. Die Immobilie ist damit laut Grundbuch lastenfrei.“

Kaufinteressenten können sich vorab bereits ein recht genaues Bild vom Wert der Immobilie machen. Wichtigste Informationsquelle ist das zentrale Online-Portal für Zwangsversteigerungen in Deutschland unter www.zvg-portal.de. Zu jedem Zwangsversteigerungstermin gibt es hier eine Bekanntmachung mit Aktenzeichen, wesentlichen Angaben zur Wohnung wie Adresse, Größe, Baujahr und geschätztem Verkehrswert. Letzterer ergibt sich meist aus einem kurzen Exposé oder einem Gutachten. Gutachten geben oft die Gerichte in Auftrag, dann sind sie online oftmals auch abrufbar. Ansonsten müssen sie bei Gericht angefordert werden. Das Gutachten selbst gibt detailliert Auskunft über Zustand, Ausstattung und Lage der Immobilie, möglichen Sanierungsbedarf, Marktdaten und realisierbare Mieteinnahmen. Auf dieser Basis können Interessenten schon recht gut entscheiden, ob das Mitbieten lohnt.

Das Mindestgebot liegt bei Zwangsversteigerungen im ersten Verfahren bei 50 Prozent des Verkehrswerts, im geschilderten Fall somit bei 290.000 Euro. Das wäre für das boomende Düsseldorf konkurrenzlos günstig. Keilhäuber weist aber darauf hin, dass die Gläubiger den Zuschlag verweigern können, wenn er bei weniger als 70 Prozent des Verkehrswerts laut Gutachten erfolgt. Sollte es einen zweiten Zwangsversteigerungstermin geben, gelten diese Grenzen allerdings nicht mehr, auch nicht die Mindestgebotsgrenze von 50 Prozent.

Wer mitbieten will, muss sich darüber im Klaren sein, welche Kosten nach dem Kauf noch auf ihn zukommen. Das können dringende Sanierungsarbeiten, fehlende Rücklagen der Eigentümergemeinschaft oder auch eine übernommene Grundschuld sein. Bei der Düsseldorfer Wohnung sind aber Steuern und Gebühren fällig. „Die Gerichtskosten sind mit dem Zuschlag bereits abgegolten. Auf den Kauf fällt jedoch Grunderwerbsteuer an, zudem ist vom Käufer der Grundbucheintrag zu bezahlen“, ergänzt Keilhäuber noch. „Die Mindestbietzeit endet um 12:05 Uhr.“

Nach den Formalien geht es endlich los. In den ersten 20 Minuten kommt die Auktion allerdings nur schleppend in Fahrt. Wer bieten will, muss dem Rechtpfleger erst eine Sicherheitsleistung von zehn Prozent des Verkehrswertes vorlegen, entweder als Bankbürgschaft oder in Form eines Verrechnungsschecks. Als erste treten zwei Männer um die 40 an das Richterpult, präsentieren Ausweise sowie Bankbürgschaften und geben gemeinsam ein Gebot ab. Keilhäuber verkündet die Namen des Bieterpaares, dass die Sicherheiten ausreichend seien und für die Wohnung damit 300.000 Euro geboten seien.

Ein paar Minuten später bietet ein junger Mann 310.000 Euro. Einem älteren Herrn geht das zu langsam. Er will für alle hörbar gleich sieben Zehntel des Verkehrswerts bieten, „also 430.000 Euro“. Die Gläubiger könnten so einen Zuschlag nicht anfechten.

Um 12 Uhr nimmt das Geschehen dann richtig Fahrt auf: Vier verbliebene Bieter rufen binnen Minuten neue Gebote durch den Saal, einige Male steigt das Höchstgebot gleich um 10.000 Euro. „Ich rufe das vorliegende Meistgebot hiermit zum dritten Mal zum Gebot auf“, sagt Keilhäuber endlich. Als niemand sein Gebot erhöhen will, verkündet er: „Versteigert für 580.000 Euro“. Es ist 12:20 Uhr. Nach knapp eineinhalb Stunden ist die Zwangsversteigerung von Wohnung sowie Garage vorbei.

Deutlich über den Verkehrswert wollte niemand mehr bieten. Die nicht einmal luxuriöse Zweizimmerwohnung in guter Lage wechselt zum geschätzten Marktpreis den Besitzer, von einem günstigen Kauf kann also keine Rede sein. „Schnäppchen gibt es schon lange nicht mehr“, sagt Margit Frei, Immobilieninvestorin aus Hamminkeln, anschließend vor dem Gerichtssaal. Bei 556.000 Euro ist sie ausgestiegen. „Es gibt kaum noch Mietshäuser, die zur Versteigerung kommen. Wohnungen wie diese in guter Lage sind sehr selten geworden.“ Ihr letzter Schnäppchenkauf im Ruhrgebiet – zur Hälfte des angesetzten Verkehrswertes -, liegt schon ein paar Jahre zurück. „Wenn ich daran denke, beschwingt mich das noch heute“, gesteht Frei.

Frei beklagt auch, was Rechtspfleger Keilhäuber bestätigt: die Zahl der Zwangsversteigerungen insgesamt ist rapide gesunken. „Vor mehr als fünf Jahren hatten wir noch mehr als 1000 Verfahren im Jahr, jetzt sind es noch 150. Ich hätte auch mehr Besucher erwartet“, sagt Keilhäuber.

Häufig, so Keilhäuber, kämen Teilungsversteigerungen vor. Die heißen so, weil sie unteilbares Vermögen – etwa eine Wohnung oder ein Grundstück – teilbar machen: der Erlös wird unter Erben oder Scheidungspaaren aufgeteilt. Verbreitet sind auch Zwangsversteigerungen auf Betreiben der kreditgebenden Banken, da sie in der Regel die höchsten Forderungen gegen den Eigentümer haben und als erstrangige Gläubiger im Grundbuch eingetragen sind. Dadurch ist sichergestellt, dass der Versteigerungserlös zuerst dem Begleichen der Bankschulden dient.

Eine Gesetzesänderung von 2007 ermöglicht es allerdings auch Hausverwaltern die Versteigerung zu beantragen und so an die Stelle des erstrangigen Schuldners zu treten. Bis zu fünf Prozent des Verkehrswertes erhält die Hausverwaltung zum Ausgleich der offenen Forderungen gegen den Eigentümer – vor allen anderen Gläubigern. Meist geht es um das Hausgeld für die Wohnungsverwaltungen und Beiträge zur Instandhaltungsrücklage.

Immobilienkaufmann Lars Kramer, Inhaber der Wohnungsverwaltung Kramer GmbH aus Erkrath, hat nicht nur die Zwangsversteigerung der Niederkasseler Wohnung als Gläubiger betrieben, sondern schon viele solcher Auktionen erlebt. Er kennt die vielen Schicksale dahinter: Häufig seien Krankheit oder Arbeitslosigkeit der Grund dafür, dass Immobilienkäufer ihre Kreditraten nicht mehr zahlen. Üblicherweise betreiben dann die finanzierenden Banken die Zwangsversteigerung vor Gericht. „Die Banken haben aber oft gar kein Interesse an Zwangsversteigerungen“, hat Kramer beobachtet. „Denn wenn der Zuschlag deutlich unter dem Beleihungswert der Bank liegt, muss sie ihre Forderungen abschreiben. Passiert das öfter, gibt es große Löcher in den Bankbilanzen – vor allem, wenn die Immobilien regelmäßig zu optimistisch bewertet und zu hoch finanziert wurden“, hat Kramer beobachtet.

Kramer erinnert sich noch gut an den Immobilienboom in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre. „Damals wurden Immobilien als Steuersparmodelle für Kapitalanleger vertrieben. Die Banken haben großzügig finanziert, oft hundert Prozent und mehr mit wenig oder gar keiner Tilgung“, erinnert sich Kramer. „Nach Ablauf der Mietgarantie von meistens drei Jahren haben viele ein böses Erwachen erlebt. Um das Jahr 2000 herum gingen diese Käufer reihenweise pleite, als sie merkten, dass die Wohnungen nicht kostendeckend zu vermieten waren.“ Erst kürzlich, berichtet Kramer, habe er eine 83-Quadratmeter-Wohnung zwangsversteigern müssen, die Ende der Neunziger für 224.000 D-Mark gekauft und mit einem 120.000-Euro Kredit finanziert worden sei. Aktuell geschätzter Verkehrswert: nur noch 69.000 Euro. „Die Generation dieser Immobilienkäufer geht jetzt in Rente“, mahnt Kramer mit Blick auf die schwindende Finanzkraft der Käufer von damals. Vielleicht noch ein paar Jahre, dann würde der Immobilienmarkt zusammenbrechen.

Mittlerweile werden auch bei Zwangsversteigerungen Großstadt-Immobilien oft mit einem Aufschlag auf den Verkehrswert gekauft. Kramer hält das für ein Warnsignal. „Das lohnt sich nicht mehr. Der Höchstbietende zahlt für die Wohnung in Niederkassel mit Garage, Grunderwerbsteuer und Grundbucheintragung rund 650.000 Euro. Selbst wenn die Wohnung für 13,50 Euro je Quadratmeter vermietbar wäre – was selbst für Düsseldorf teuer wäre, entsprächen die Kaltmieteinnahmen nur noch einer Rendite von 2,5 Prozent. Und davon gehen noch Kosten für Renovierung und Reparaturen sowie nicht umlegbare Nebenkosten wie die Instandhaltungsrücklagen ab“, rechnet der Hausverwalter vor.

Für Kapitalanleger ist solch ein Investment riskant. Es steht und fällt mit der Vermietbarkeit. Sind die Mieten aber zu hoch und gute Mieter schwer zu finden, droht Leerstand. Auch häufige Mieterwechsel können ordentlich ins Geld gehen. Für eine Renovierung kann ein Vermieter acht- bis zehntausend Euro veranschlagen, eine gründlichere Wohnungssanierung kostet eher 20.000 bis 25.000 Euro.

„Die Düsseldorfer Immobilienpreise sind rational nicht mehr zu erklären, ebenso wenig in Städten wie Köln, Stuttgart oder München“, sagt Kramer, der die Zwangsversteigerung der Wohnung wegen ausstehender Hausgeldzahlungen gegen den Eigentümer angestrengt hat. „Für Anleger, die als Vermieter Geld damit verdienen wollen, sind die aufgerufenen Preise längst unattraktiv.“

Tatsächlich ging es dem Käufer der Wohnung in Niederkassel auch nicht um die Rendite. Er will sie selbst nutzen.

Quelle: Wirtschaftswoche

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